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Rumtata, gute Laune und ein Irrenhaus

Großer Andrang herrschte bei der sechsten Lübecker Theaternacht. Es gab Verrücktes, Amüsantes und viele Appetitmacher der neuen Spielzeit.

Von Cornelia Schoof und Natalie Klüver

Lübeck – Die Welt ist eine Bühne. Spielen, musizieren oder singen kann man wie und wo es gefällt. So wurden gestern wieder einmal recht ungewöhnliche Räume zu Orten des Wortes, des Klangs, des Humors. Vor allem der Humor wurde großgeschrieben bei der Theaternacht. Im Theater an der Beckergrube hatten Künstler aus allen Sparten des Hauses ihren Spaß, aber auch das Publikum kam auf seine Kosten.
Um 17 Uhr war der musikalische Startschuss gefallen. Kurz darauf drängelte man sich durch die Gänge, über enge Treppen, auf Probebühnen, vor den etablierten Bühnen der Kammerspiele, im Großen Haus oder im Studio, aber auch in den Werkstätten oder im Lastenaufzug, in Bereichen also, die ein Zuschauer sonst nie zu Gesicht bekommt. Präsentiert wurden Appetitmacher auf die neue Spielzeit, kurze Szenen aus aktuellen Produktionen wie beispielsweise aus der „Rocky Horror Show“, aus „Macbetto“ oder aus „Hamlet“. Daneben gab es unkonventionelle Ideen: „Elektra für Besserwisser – eine augenzwinkernde Lesung“, eine Hermann-Hesse- Lesung mit Robert Brandt oder die „Original Traveländer“, eine zehnköpfige Brassband, die sonst noch viel originaler Teil des Philharmonischen Orchesters ist, gestern aber im Innenhof zünftige Blasmusik spielte, mit der sie in jedem bayrischen Bierzelt beeindruckt hätte.
Während einige Neugierige im Hof das Rumtata aus Blech- und Holzbläsern und Schlagzeug beäugten, warteten andere schweigend vor dem wenige Meter entfernten Lastenaufzug. Wer die heimelige Musik noch im Ohr hatte, musste sich rasch umstellen, denn nun wurde es schrill. „Büchner im Aufzug“ mit Astrid Färber und Henning Sembritzki war Theater zum Anfassen, denn die beiden Schauspieler agierten auf engstem Raum. Sie gestalteten 15 Minuten, in denen der Aufzug sich in das Wartezimmer einer bedrängenden Nervenheilanstalt verwandelte. Unter der heimlichen Führung eines Dr Büchner bewegte sich der Aufzug langsam hoch und runter. Die Schauspieler stiegen in wechselnden Kostümen und Rollen ein und aus. Figuren mit bekannten Namen tauchten auf: Leonce und Lena, Woyzeck, Marie, Marion und Robbespierre. So hockte in einer Ecke des Lastenaufzugs Sembritzki alias Leonce, verzottelt und innerlich leer und sah „nur noch im Sterben seiner Liebe einen gewissen Reiz“. Oder er ließ sich als Woyzeck „auf Erbsendiät setzen“, während Astrid Färber als Marie mit ihrem Kind und ihrem Leben überfordert war. Wer sich mit Büchner nicht auskannte, blieb allerdings draußen bei diesem Kurzstück, war irritiert und fragte sich, was das „etagenübergreifende Wartezimmer“ mit durchgeknallten Patienten im Büchner-Look vorstellen sollte. Viele fuhren in dieser Theaternacht in diesem Fahrstuhl, wenigen erschloss sich, was dieses Auf und Ab für einen Sinn hatte.
Bei den privaten Theatern und freien Gruppen gab es vieles, was die Laune hebt. Extra für die Theaternacht hat Gertraud Häfner ihr Stück „Der Gans ganz geheimer Name“ geschrieben. Ein Stück vor allem für Kinder, die bei den Nachmittagsvorstellungen auf den Turnbänken im Jugendzentrum „Röhre“ Platz nahmen. Aber auch die Großen mochten den feinen Humor der Puppenspielerin und ihre selbstgestrickten Gänse. Das Drama in fünf „Gakten“, wie Häfner die 20- Minuten-Vorstellung nennt, ist heiter und beschwingt, ein wenig zauberhaft und für viele ein Schnupperausflug in die Figurentheaterwelt.
Lauter und hemdsärmeliger ging es im Theater Combinale zu - die Grölgruppe war überaus beliebt. Im vergangenen Jahr so erfolgreich, dass daraus ein monatlicher Termin wurde, war auch dieses Mal der Andrang groß. Von „Aber bitte mit Sahne“ über „Probier´s mal mit Gemütlichkeit“ bis „Mamma Mia“: Gegrölt wurde munter, und das Wichtigste dabei: Man hatte furchtbar viel Spaß. „Ich war schon letztes Jahr hier und fand es so witzig, dass ich dieses Jahr auf jeden Fall noch einmal kommen musste“, sagte eine Wiederholungstäterin, die eine Freundin mitgebracht hatte. Die freute sich, „endlich mal ungehemmt laut und schief zu singen“. Das taten die Damen (in der Überzahl) und die Herren auch genüsslich, und schon eine halbe Stunde vor der nächsten Vorstellung drängten sich die nächsten Chorsänger gut gelaunt im Foyer. Die, die gingen, versprachen: „Nächstes Jahr sind wir wieder dabei.“